Lieferservice in der eigenen Gastronomie anbieten – ja oder nein?

Essen bestellen liegt im Trend, das zeigen die Zahlen: 2017 wurden in Deutschland rund 2,6 Mrd. Euro mit Delivery umgesetzt, bis 2022 wird ein Wachstum auf rund 6,3 Mrd. Euro prognostiziert.* Der Lieferdienst-Anteil, den Restaurants davon ausmachen, soll in diesem Zeitraum von derzeit 170 Millionen auf satte 528 Millionen überproportional wachsen. Also stellt sich die Frage, ob ein Restaurant einen Lieferservice anbieten sollte, oder gar nicht?

Delivery muss zum Konzept passen

Keineswegs ist Delivery ein leicht umzusetzendes Zusatzgeschäft, das sich einfach mitnehmen lässt. Damit ist gemeint: Nicht jedes gastronomische Konzept lässt sich in Richtung Delivery erweitern. Ein Fine-Dining- oder gar Gourmet-Restaurant, dessen Speisen, von höchster Qualität, aufwendig zubereitet und auf den Tellern kunstvoll angerichtet, würde im Außer-Haus-Verkauf ein gänzlich anderes Bild vermitteln – ein eher negatives. Ein Destinations-Konzept, das in hohem Maße von seinem besonderen Ort lebt (zum Beispiel in einem Fernsehturm oder auf einem Strandpier), kann wohl ebenfalls kaum von Delivery profitieren. Bestenfalls bewirkt das Aufschalten eines Lieferdienstes, dass dieser nicht nur ein eigenes Geschäft ist, sondern auch neue Kunden ins Restaurant bringt.

Nicht alle Speisen sind lieferfähig

Auf einer Pizza kann maximal der Belag verrutschen, wenn der Fahrer besonders schnell in die Kurve gegangen ist. Doch viele andere Speisen sind weniger gut lieferfähig. Deswegen sollte die Auswahl auf solche Speisen beschränkt werden, die unterwegs nicht auseinander fallen können, die auch nach Entnahme aus der Verpackung gut aussehen und sich gut anrichten lassen (denn besonders das Essen im Bereich Restaurant-Delivery wird oft auf Teller übertragen), die Wärme speichern bzw. nicht benötigen – und die auch in gelieferter Form „instagrammable“ sind. Hier ist zu überlegen, spezielle Liefer-Varianten oder gar exklusiv für Delivery konzipierte Speisen anzubieten. So umgeht man auch den Foto-Vergleich „im Restaurant vs. nach Hause bestellt“. Übrigens: Weil das Thema Nachhaltigkeit immer bedeutungsvoller wird, sollte auf Einweg-Plastik verzichtet werden, wo es möglich ist. Hier gibt es bereits viele „grüne“ Lösungen.

Delivery braucht einen eigenen Prozess

Oft wird die Liefer-Bestellung einfach mitbearbeitet oder genauer: Es wird kaum ein Unterschied zwischen Innen- und Außenverkauf gemacht. Doch der ist wichtig: Delivery braucht von der Speisenentwicklung (siehe Punkt 2) über die Bewerbung und Bestellung bis zur Belieferung einen eigenen Prozessablauf und im Idealfall eigene personelle Verantwortlichkeiten. Sprich: So, wie es einen Schichtleiter gibt, sollte es auch einen Delivery-Leiter geben, der alle Prozesse im Auge behält. Denn wird alles in einer Küche zubereitet und durchgeführt, und ist das Restaurant voll, dann kann es schnell zu Engpässen kommen – wem wird dann Priorität gegeben, der Bestellung von außen oder von Tisch sieben? Wie sieht es für den Gast aus, wenn zwischen den Tischen und dem Tresen ein oder mehrere Lieferdienstfahrer in greller Sportkleidung und mit großen Rucksäcken oder Thermoboxen stehen? Für diese Dinge benötigt der Betrieb klare Abläufe. Mittlerweile gibt es sogar ganz extreme Formen wie „ghost restaurants“, die online den Look eines normalen Restaurants vermitteln, aber ganz und gar auf Lieferung ausgerichtet sind und keine Tische anbieten – das ist ein komplett eigenständiger Prozess.

Selbst fahren oder outsourcen?

Eine große Frage. Wer einen eigenen Lieferdienst anbietet, muss Personal einstellen, einen Fuhrpark einkaufen und vieles mehr – hat dafür aber volle Kontrolle über die Abläufe. Wer auf externe Lieferdienste zurückgreift, hat dieses nicht. Und muss eine Provision bezahlen, die nicht selten 30 Prozent des Umsatzes beträgt – eine Menge. Da Lieferdienst-Anbieter miteinander in starkem Konkurrenzkampf stehen, lässt sich die Provision eventuell – je nach Standing, Standort und weiteren Faktoren – gut verhandeln, sprich senken. Bei der outgesourcten Lösung profitiert man von den On- und Offline-Marketing-Aktivitäten des Dienstleisters, fährt man selbst, kommt es drauf an: Manche Restaurants schließen sich hier Plattformen an, die zwar Marketing machen und das Angebot auf einen Kanälen ausloben, aber keinen Fuhrpark bereitstellen. Und wiederum andere machen alles selbst – das ist zum Beispiel dann sinnvoll, wenn man es eher exklusiv halten will.

Schmal beginnen, testen und kontinuierlich weiterentwickeln

Wie in Punkt 2 beschrieben, sollte sich die Auswahl beschränken bzw. sollten eigene Produkte für den Lieferbereich entwickelt werden. Und so, wie sich die Karte im Restaurant ändert und das Sortiment sich erweitert, sollte es auch mit dem Außer-Haus-Geschäft passieren: Nicht gleich alles auf einmal an den Start bringen. Schmal beginnen, schauen, ob es funktioniert bzw. wo angepasst werden muss. Dann gegebenenfalls ausbauen und alles immer wieder von Neuem überprüfen. Der Prüfen beinhaltet auch, dass Chef und leitende Mitarbeiter sich das Essen aus dem eigenen Restaurant auch mal nach Hause (oder besser, um incognito zu bleiben, an eine andere Adresse) bestellen. Wie kommt es dort an? Und wie schmeckt es? Mit den eigenen Sinnen – und dem eigenen Bauch – lässt es sich am besten checken.

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*Primärquelle zitiert nach de.statista.com

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